Lavendel - zum Trocknen bereitet - ein untrüglicher Hinweis auf den ausgehenden Sommer. Am 15. August kommt es zur Ernte. Im katholisch geprägten Oberschwaben wird am 15.8. Mariä Himmelfahrt gefeiert, als Tag der 7 Kräuter, die kunstvoll zu kleinen Büschelchen zusammengebunden und gesegnet werden. Und wir haben unseren letzten Lavendel geerntet. Lavendel ist für mich mehr als ein Kraut: es ist eine Duftorgie. Viele Monate konnten wir auf den violetten Blüten tausende Hummeln, Wildbienen und andere Insekten beobachten. Ungestört von unseren Blicken berauschten sich die Tierchen am süßen Nektar. Tag und Nacht war Leben auf den Stengeln, denn abends kamen die Nachtfalter und übernahmen das Feld. In Zeiten des Insektensterbens erlebten wir eine Armada an Diversität. Besonders angetan haben es mir die schweren Brummer. Erst als die Blüten wirklich keine Kost mehr abgaben (der dürre Sommer trug seinen Teil dazu bei) wagten wir es, die Blütenstengelchen abzuschneiden, in der Hoffnung, dass es im Frühjahr zum neuen Wachstum kommt. Als Provence-Fan erinnert der Lavendel an die duftenden Felder in Südfrankreich. Immer noch kann ich an keinem Lavendelbusch vorbeigehen, ohne die Blüten mit den Fingern zu zerreiben und an die Nase zu halten. Umso krasser habe ich es Anfang Juli empfunden, als es mich mit Corona erwischt hat und sowohl geschmacks- als auch geruchstechnisch rein gar nichts mehr ging! Lange 14 Tage hätte man vor meine Nase alles hinhalten können - ich hätte es nicht errochen. Und jegliches köstliche Essen kam als neutrale Masse in meinem Gaumen an. Gott sei Dank hat sich die Geschmacks- und Geruchsamnesie inzwischen gelegt und ich kann den Duft, der mich so an die geliebte Provence erinnert, in vollen Zügen genießen. Nun liegen sie als Schnittware hier, eingehüllt in Leintuch, bereit zur Trocknung, bevor sie eine Duft-Renaissance erleben werden: sorgfältig abgestripselt wird den Blüten in Duftsäckchen noch ein Herbst- und Winterdasein beschert. Es tut gut, zu erleben, dass es für die Insekten eine Chance gibt, wenn man nicht jedes Hälmchen abmäht, nur um einen reinen Garten zu kultivieren. Wir müssen wieder da hinkommen, der Schöpfung eine Chance zu geben, die Diversität, mit der sie im Ursprungsgedanken gedacht war, auch leben zu können. Die Schöpfung dankt es mit anmutender Ästhetik für alle unsere Sinne.
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