Bauernhausmuseum Wolfegg, 14.Juli
Es ist knallheiß unter dem Dach des hergerichteten Hofes Reisch im Bauernhausmuseum. Trotzdem ließen es sich etwa 40 Interessierte nicht nehmen, die neue Fotoausstellung zu besuchen. Anwesend ist neben den beiden Fotokünstlern Andreas Weinand und Mit-Kurator Claudio Hils (weißes Hemd, rechte Seite) auch das oberschwäbische Urgestein und zu den bekanntesten zeitgenössischen deutschen Schriftstellern zu zählende Arnold Stadler, der die Ausstellung mit typischen Sprachbildern bereichert. Nach einer kurzen Lesung aus zwei seiner Werke kam es zu einer interessanten, von Museumsleiterin Dr. Tanja Kreutzer (gelber Pulli) moderierten Diskussion über den Umgang mit den Landschaften unserer Zeit und wie der Mensch diese Landschaft nicht immer zum Positiven verändert. Aus unterschiedlicher Perspektive betrachten die Künstler Ihre Landschaften. Aus den Werken von Claudio Hils (im Bild hinter dem Schriftsteller, mit blauem Hemd) spricht eine gewisse Traurigkeit, ja Trostlosigkeit. Kaum Menschen, dafür krasse Beispiele für extreme Veränderungen: seelenlose Neubaugebiete, abgerissene Bauernhäuser, versiegelte Flächen. Andreas Wienand geht einen anderen Weg: er sucht Beispiele gelingender Landschaftsgestaltung: eine Rentnerinitiative im Ruhrgebiet, die neue Wege sucht, die Erde zu bearbeiten, und darin Sinn findet in einer von Empathie geprägten Sequenz, die sich einem nur erschließt, wenn man sich Zeit nimmt und nicht nur darüber hinweghuscht. Tiefe, selbstironische bis sarkastische Sprachbilder vermittelt Arnold Stadler, wenn er über Windmonster spricht, oder Heimatverlust. Gleich zu Anfang stellt Stadler klar, dass es für ihn das Wort „Umwelt“ nicht gibt: Stadler: „Alles ist Welt und auch der Himmel ist nicht geteilt.“ Stadler, der in Berlin und auf seinem elterlichen Bauernhof bei Messkirch lebt, hält auch nichts von der Aufteilung in Provinz und Stadt. Wir müssen wieder ein Bewusstsein dafür erlangen, dass es die objektivierbare Wirklichkeit nicht gibt. Wir sind alle ein Teil des Ganzen und tragen Verantwortung für das Ganze. Was mich besonders beeindruckt hat: die Ausstellung kommt ganz ohne moralischen Fingerzeig aus. Wir finden eine Darstellung von Wirklichkeiten, der man auf die Spur kommt, wenn man sich darauf einlässt und sich berühren lässt. Aber genau das Freilassende macht etwas mit einem. Der Betrachter/die Betrachterin kommt ins Nachdenken und geht verändert heraus. So ging es mir, als ich den Ausstellungshof verließ und den lauen Sommerabend genießen konnte. Von einer weiteren Veranstaltung, die ich noch besuchen wollte, nahm ich Abstand: sie hätte alle Empfindungen wieder verlöscht. Summa: eine Performance mit Bildern und Texten, die zum Diskurs anregt und noch viele Besucher*innen verdient. Bis 2. Oktober ist noch Gelegenheit dazu: an diesem Tag gibt es eine Finissage-Lesung um 16 Uhr nochmals mit Arnold Stadler.
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