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Was verbindet den 14.Juli, die Psychiatrieseelsorge und Tübingen ?


Meine Abschiedspredigt nach drei Monaten Vertretungspfarramt in Brüssel. Zum Abschied gab es ein Memory.


Was verbindet den heutigen Quatorze Juillet mit meinem Geburtsort Tübingen, meiner langjährigen Arbeit als Psychiatrieseelsorger und einem Drittel der biblischen Literatur: Friedrich Hölderlin

Eine Predigtwürdigung am 14.Juli 2024 in der Deutschsprachigen Emmausgemeinde Brüssel


1788 – kurz vor der Französischen Revolution – tritt Friedrich Hölderlin in das Tübinger Stift ein, die schwäbische Theologenschmiede. Gemeinsam mit seinen Jugendfreunden Georg Friedrich Wilhelm Hegel und Friedrich Wilhelm Josef Schelling begeistert er sich für die Französische Revolution, deren Ideale – Freiheit, Gleichheit, Brüderlichkeit – auch zu den seinen wurden. Die Revolution verlief jedoch anders als erhofft: Die von Gewalt geprägte Jakobinerherrschaft und die Hinrichtung LUDWIGS XVI. missfielen dem jungen Dichter, der den Wunsch nach einer gewaltlosen Demokratie verfolgte. Trotz aller Rückschläge und Ernüchterungen hält Hölderlin unerschütterlich am Glauben an die Notwendigkeit einer gesellschaftlichen, staatlichen und kulturellen Erneuerung fest. Er suchte den friedlichen Weg und konzentriert sich auf die Dichtkunst.

Am 20.3.1770, wird Friedrich Hölderlin in Lauffen am Neckar geboren. Religion, so sagt er, ist das erste und letzte Bedürfnis der Menschen. Religion war für ihn gleichzeitig wunder Punkt und Kraftzentrum. Wir wollen uns heute diesem ungewöhnlichen Dichter zuwenden. Ich bin überzeugt, Hölderlin hat uns gerade heute etwas zu sagen. Und wir wollen ihn selbst sprechen lassen. Friedrich Hölderlin hat neue Hymnen gedichtet, Dank- und Loblieder, mit eigener Sprachgestalt und Sprachgewalt. Mit freien Rhythmen und neuem Stil.                


Wir begrüßen den Tag mit einem Morgengesang


Morgenphantasie

Vom Taue glänzt der Rasen; beweglicher

Eilt schon die wache Quelle; die Buche neigt

Ihr schwankes Haupt und im Geblätter

Rauscht es und schimmert; und um die grauen

 

Gewölke streifen rötliche Flammen dort,

Verkündende, sie wallen geräuschlos auf;

Wie Fluten am Gestade, wogen

Höher und höher die Wandelbaren.

 

Komm nun, o komm, und eile mir nicht zu schnell,

Du goldner Tag, zum Gipfel des Himmels fort!


Warum Friedrich Hölderlin? Fünf Zugänge:

1. In existenziellen Bedrohungszeiten hilft uns nicht die Sportschau. Wir brauchen die Familie, Freunde und Freundinnen. Wir brauchen nachhaltige Ressourcen, die unsere Seele stärken. Ich finde diese Ressource in der Betrachtung biblischer Texte, in der Kunst und vor allem in der Dichtung. Gute Dichtung gibt mir ein gutes Gefühl. Die Seele kann sich einschwingen, in den Kompositionen lassen sich Resonanzen spüren. In dieser Hinsicht gibt es auch bei Hölderlin vieles, Bekanntes und auch Fremdes, zu entdecken. Was bleibt stiften die Dichter, ist von ihm zu lesen.

2. Hölderlin war fragil, heute würde man sagen hochsensibel, er hat Feinheiten wahrgenommen. Dissonanzen. Hölderlin erinnert mich an manche der Kinder und Jugendlichen, denen ich in der Krankenhausschule begegnet bin. Hölderlin hat Erfahrungen mit der Psychiatrie. Fast ein halbes Jahr lang wird er zwangsweise einer akuten Behandlung unterzogen, mit damals grauenvollen Methoden. Danach nimmt ihn ein freundlicher Schreiner und seine Familie in die Obhut. Die erste dokumentierte Familienpflege. Manche halten ihn für verrückt, andere vergöttern, manche instrumentalisieren ihn. In allem erwacht in mir ein Reflex, mich schützend vor ihn zu stellen. Ihn zu verstehen. Das ist ureigene Aufgabe in der Seelsorge.

3. Hölderlin hat in meiner Heimatstadt Tübingen Theologie studiert und mehr als 40 Jahre in Tübingen verbracht. 36 Jahre davon in einem Turm am Neckar, dem Hölderlinturm. Dort hat er ein friedliches und zufriedenes Leben geführt. Wie er seine Tage verbracht hat, wissen wir nicht im Einzelnen. Er hat gedichtet, gezeichnet, Klavier gespielt und vielleicht das bewegte Wasser des Neckars betrachtet.

4. Hölderlin hat sich gegen eine verzweckte, geknebelte, verdrehte Religion gewandt. Die Religion hat er nicht fallengelassen. Aber sie ihn auch nicht. Als Dichter der Hoffnung hat er die Welt mitgestaltet. Seine Hymnen und Oden haben die Zeit überdauert. Sie werden heute in internationalen Konferenzen und Doktorarbeiten analysiert und interpretiert.

5. Hölderlin entzieht sich jeglicher Einordnung. Das reizt zur Entdeckung und zur Vertiefung. Sperrig, fremd, verstörend, begeisternd, imposant, sakral, hoch schwingend, kryptisch, verschlüsselt, schwankend zwischen Hoffnung und Weltflucht.

 

Sein wohl bekannteste und am meisten analysierte Gedicht stammt von 1803. „Hälfte des Lebens“. Es klingt wie die beiden Seiten seines Lebens, die der Dichter durchlebt hat: Schaffensgeist und Agonie. Einschließlich eines abrupten Stimmungswechsels, der der bei seelischen Erkrankungen oft so bezeichnend ist und den wir so schwer ertragen und mit dem bekannten „himmelhochjauchzend und zu Tode betrübt“ nur unzureichend beschrieben ist. Genie und Wahnsinn.


Hälfte des Lebens

Mit gelben Birnen hänget

Und voll mit wilden Rosen

Das Land in den See,

Ihr holden Schwäne,

Und trunken von Küssen

Tunkt ihr das Haupt

Ins heilignüchterne Wasser.

Weh mir, wo nehm ich, wenn

Es Winter ist, die Blumen, und wo

Den Sonnenschein,

Und Schatten der Erde?

Die Mauern stehn

Sprachlos und kalt, im Winde

Klirren die Fahnen.


„Nah ist / und schwer zu fassen der Gott“ – so beginnt sein später Hymnus „Patmos“. Es ist jenes Gedicht, dem eine der bekanntesten Zeilen Hölderlins entnommen ist, die viele als Redensart kennen: „Wo aber Gefahr ist, wächst / das Rettende auch.“ Vielleicht ein tröstlicher Gedanke, gerade in diesen herausfordernden Zeiten! Wie oft habe ich es zitiert, noch öfters selbst erlebt. Die Wendung in den Psalmen, das große „Dennoch“ im 73., das Dankesmahl im 22.Psalm, die Wendung zum Lob in der Gemeinde, nach dem „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen“ – der du thronst über den Lobgesängen Israels -

In seinem Gedicht „Patmos“ beschreibt Hölderlin die Sehnsucht des Menschen nach Gottesbegegnung und er erzählt von der Erfüllung solcher Sehnsucht. Dabei tauchen biblische Bilder auf, von Christus, seinem Leben, Sterben und Auferstehen – bei Hölderlin immer auf eine für ihn ganz eigentümliche Weise vermischt mit der Götterwelt des antiken Griechenlands.

„Nah ist / und schwer zu fassen der Gott“ – dieses Gefühl kenne ich auch. Ich kenne Zeiten der Gottesgewissheit in mir, der Verbundenheit mit Gott im Medium biblischer Geschichten oder im Gebet. Aber es gibt eben auch diese Seite in mir: Gott und seinen Willen nicht zu begreifen. Das Gefühl, nicht zu wissen, wer Gott eigentlich ist und wo Gott zu finden sei.

Friedrich Hölderlin hat ein Leben lang mit der Religion und dem Gottesglauben gerungen. Pfarrer hätte er werden sollen – nach dem Willen seiner pietistischen Mutter; doch diesem Ansinnen hat er sich konsequent entzogen, bis zuletzt in seiner Einsiedelei in jenem Tübinger Turm, unter der Maske einer zugeschriebenen Verrücktheit.

„Hölderlin isch et verrückt gwea“ Als ich noch Student war, hat ein Hölderlin-Fan diese Botschaft an die Mauer des Hölderlinturms gesprayt … Es streiten sich die Geister. Ich glaube nicht, dass Hölderlin verrückt war. Ich habe insgesamt große Schwierigkeiten mit „Verrücktheit“ als Zuschreibung. Hölderlin war ein hochsensibler Geist, der nach seiner Fußreise nach Bordeaux und dem Tod seiner platonischen Liebe Susette Gontard völlig dekompensiert hat. Fest steht: er hat sein Leben nicht mehr allein hinbekommen. Er brauchte Hilfe.

Hölderlin hat die Religion nicht aufgegeben, besser: sie hat ihn nicht losgelassen. Nur: er musste seinen eigenen Zugang zu ihr finden, wie wir alle. Und es ist erstaunlich, wie viel Frömmigkeit sich in Hölderlins Gedichten findet.

Die Ambivalenz menschlicher Gotteserfahrung hat er jedenfalls treffend auf den Punkt gebracht – und erinnert mich dabei manchmal an den Beter des 139. Psalms aus der Bibel. Auch er kann Gott nur schwer fassen, schwer begreifen, und flieht sogar vor einer bedrängenden Nähe Gottes, um schließlich erkennen zu müssen: einen Zufluchtsort vor der Gegenwart Gottes gibt es nicht. Doch am Ende seines Weges steht dann eine andere Einsicht: das Gefühl, nicht verloren, sondern von Gott gehalten zu sein.

Als Kind des württembergischen Pietismus hat der Dichter keinen Augenblick seines Lebens an der Existenz des Heiligen, des höchsten Gottes gezweifelt. Das war die Basis seines Glaubens. Aber gleichzeitig litt er unter der Enge der kirchlich-obrigkeitlichen und moralisch engführenden Gestalt des Christentums seiner Zeit. Darum wollte er auch nicht Pfarrer werden. Hölderlins Geburt war schwierig. Seine überaus fromme Mutter hat geschworen, dass das Kind Pfarrer werden soll, wenn es überlebt. Mit aller Kraft entzog er sich dieser Vorbestimmung. Er fürchtete um seine Freiheit. Diese Freiheit suchte und fand er in der Dichtkunst.

Sein Grundthema blieb Gott. Die Annäherung an Gott durch die Poesie. Seine Gedichte sind wie Gebete, wie Psalmen, religiöse Gesänge, Gebete zum Unverfügbaren.

„Himmlische sind und Menschen auf Erden beieinander die ganze Zeit“ schreibt er in seinem großartigen Christushymnus „Der Einzige“.

Er ging fest davon aus, dass die Religion zum Leben, zur Existenz, gehört. Sie ist für ihn die Kraftquelle. Aber gleichzeitig auch wunder Punkt. Die Entfaltung ihrer Kraft lässt, so wie er sie erfahren hat, zu wünschen übrig. An der Hand der Poesie bricht er auf, den zu suchen, der allein im Äußersten einem verlorenen Einzelnen beizustehen vermag:

Noch Einen such ich, den / Ich liebe unter euch, / … / Des Hauses Kleinod.“ Des Hauses Kleinod, der Wertvollste, der Einzigartige: das ist Christus. Von ihm spricht Hölderlin nun im Bekenntnis flehender Liebe: „…. denn zu sehr / O Christus häng ich an dir.“ 

Hölderlin schreibt ab 1801/02 an den drei großen Hymnen (Die Friedensfeier, Der Einzige, Patmos). Zum Teil in mehreren Fassungen überliefert, zeigen diese Hymnen das innere Ringen des Dichters um den lebendigen Christus. Seine Hymnen erinnern uns an die Psalmen des Ersten Testaments: helle und dunkle Lieder, fröhliche und traurige Gesänge. „Singt Gott ein neues Lied!“

In drei Gesängen umkreist er den auferstandenen, lebendigen, gegenwärtigen Christus. Der lebendige Christus allein verfügt über die Macht, versöhnend an jenes Lager der Verzweiflung und des Todes zu treten, auf welchem der Dichter Hölderlin friert. „Denn noch lebt Christus“ (Patmos). Hier erleben wir eine gewisse Rückkehr in die Naivität des Glaubens seiner Kindheit. Die Götter Griechenlands bleiben an Hölderlins Seite als lebendige Gegenwart. Aber Christus tritt hinzu als Bruder des Kraftprotzen Herakles und als Bruder des Dionysos, dem Gott der Fruchtbarkeit und der Ekstase.

Für die Selbstentäußerung Christi findet Hölderlin eine neue Sprache. „Christus bescheidet sich selbst“. Er verzichtet auf alle Insignien irdischer Macht. Hier ist er ganz bei dem Philipperhymnus.

Philipper 2,5-11

Seid so unter euch gesinnt, wie es der Gemeinschaft in Christus Jesus entspricht: 6 Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, 7 sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. 8 Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. 9 Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, 10 dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, 11 und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.

Als messianischer Bettler gilt von ihm: „Christus aber ist / Das Ende.“ Gedeutet im Sinne von Vollendung der Welterlösung nach Johannes 19,30: „Es ist vollbracht.“ 

 

Meiner verehrungswürdigen Großmutter zu ihrem 72. Geburtstag (Januar 1799)


Vieles hast du erlebt, du teure Mutter! und ruhst nun    Glücklich, von Fernen und Nah'n liebend beim Namen genannt, Mir auch herzlich geehrt in des Alters silberner Krone    Unter den Kindern, die dir reifen und wachsen und blühn. Langes Leben hat dir die sanfte Seele gewonnen    Und die Hoffnung, die dich freundlich in Leiden geführt. Denn zufrieden bist du und fromm, wie die Mutter, die einst den    Besten der Menschen, den Freund unserer Erde, gebar. – Ach! sie wissen es nicht, wie der Hohe wandelt' im Volke,    Und vergessen ist fast, was der Lebendige war. Wenige kennen ihn doch und oft erscheinet erheiternd    Mitten in stürmischer Zeit ihnen das himmlische Bild. Allversöhnend und still mit den armen Sterblichen ging er,    Dieser einzige Mann, göttlich im Geiste, dahin. Keines der Lebenden war aus seiner Seele geschlossen    Und die Leiden der Welt trug er an liebender Brust. Mit dem Tode befreundet' er sich, im Namen der andern    Ging er aus Schmerzen und Müh' siegend zum Vater zurück. Und du kennest ihn auch, du teure Mutter! und wandelst    Glaubend und duldend und still ihm, dem Erhabenen, nach. …

O ihr Lieben! und lange, wie du, o Mutter! zu leben    Will ich lernen; es ist ruhig das Alter und fromm. Kommen will ich zu dir; dann segne den Enkel noch Einmal,    Daß dir halte der Mann, was er, als Knabe, gelobt.


Papst Franziskus, der Hölderlin zu seinen Lieblingsdichtern zählt, nannte das Gedicht an die Großmutter in einem Interview „von großer Schönheit, auch spirituell sehr schön.“ Es habe ihn gerührt, weil auch er seine Großmutter sehr geliebt habe. „Und da stellt Hölderlin seine Großmutter neben Maria, die Jesus geboren hat. Er ist für sie der Freund auf Erden, der niemanden als Fremden betrachtet hat.“ Aus Anlass des 80.Geburtstages von Papst Franziskus hat Bundeskanzlerin Angela Merkel ihm eine Gesamtausgabe der Werke Hölderlins geschenkt.

An Zimmern

Das Gedicht „An Zimmern“ hat Hölderlin im Turm verfasst, am 19. April 1812. Hölderlin ist 42 Jahre alt und bereits seit 5 Jahren im Tübinger Turm am Neckar. Der Schreiner Ernst Zimmer, der Hölderlin betreut, schreibt an die Mutter des Dichters nach Nürtingen. Das Gedicht mag ich sehr, auch weil es viele Fragen aufwirft. Ich habe es bei mancher Trauerfeier eines langjährigen Psychiatriepatienten zitiert.


„Hochgeehriste Frau Kammerrathe!

Bey Ihren lieben Hölderle, ist eine sehr wichtige veränderung eingetretten <...>. Sein dichterischer Geist zeigt Sich noch immer thätig, so sah Er bey mir eine Zeichnung von einem Tempel Er sagte mir ich solte einen von Holz so machen, ich vesetze Ihm drauf daß ich um Brod arbeiten müßte, ich sey nicht so glüklich so in Philosofischer ruhe zu leben wie Er, gleich versetze Er, Ach ich bin doch ein armer Mensch, und in der nehmlichen Minute schrieb Er mir folgenden Vers mit Bleistift auf ein Brett


Die Linien des Lebens sind verschieden

Wie Wege sind, und wie der Berge Grenzen.

Was hier wir sind, kann dort ein Gott ergänzen

Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden


<...> In ansehung seiner verpflegung dürfen Sie ganz beruhig sein.

<...> Ihr gehorsamer Diener Ernst Zimmer.“


Hölderlin hat deutlich gespürt, wie sein Leben gelinde gesagt „unerfüllt“ geblieben ist. Ein Erfolg im Beruf war ihm verwehrt. Weder als Wissenschaftler noch als Dichter fand er zu seinen Lebzeiten groß Anerkennung. Der Verlust seiner großen Liebe Susette Gontard hat ihn an den Rand der Verzweiflung getrieben. Enttäuscht und zerplatzt sind auch seine politischen Hoffnungen, die er als Student mit seinen Freunden hatte.

Im Haus am Neckar findet Hölderlin nach allen diesen Niederlagen und Verletzungen so wunderbar milde Worte für die eine Hoffnung, die weiterträgt: Gott kann auch mein unvollendetes Leben einst „ergänzen“, mit allem, was auf der Strecke geblieben ist: „Mit Harmonien und ewigem Lohn und Frieden“.


Was gibt uns Friedrich Hölderlin mit?

 

„Alles ist in Gott“ – In dieser biblischen Aussage steckt für Hölderlin eine große spirituelle Kraft, die er in der Natur findet und in der Lyrik, die den Menschen und die Natur vor Entfremdung in einer durchrationalisierten Welt schützen soll. Hölderlin wäre heute sicher ein Mensch, der auf freier Erde steht und die Schöpfung zu bewahren sucht. Er wäre ein Naturfreund, ein ökologischer Denker, der die Natur nicht auf ihre bloße Materialität verkürzt.

 

Im Gesang stimmt er den Dank für die Gaben des Himmels an. Er will bewahren, ohne dogmatisch zu sein. Er will den Menschen dazu anstiften, das Bessere zu tun und moralisch-praktisch tätig zu werden. Die Poesie wird die Welt nicht retten, aber verschönern, lebenswerter machen. Mit Auswirkungen auf den Gottesdienst. Dank für die Gaben des Himmels macht freundlich. Lob Gottes macht fröhlich. Fröhlich nicht gegen das Ernsthafte, sondern gegen das Dunkle und gegen Kräfte, die ins Dunkle ziehen und in die Nacht. Eine Heiterkeit, die tiefer ins Geheimnis Gottes hineinführt, der alles in allem und Grund genug zum Danken und Loben ist.

Für Hölderlin geschieht dies im Zeichen ekstatischer Freude. Über der klanglos gewordenen Welt wird ein Urklang angestimmt, entsprungen der Sehnsucht Gottes nach der Welt.


 

 

 

 

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